Vergangene Zukünfte - Neue Vergangenheiten

Stimme zur historischen Erwachsenenbildungsforschung

Malte Ebner von Eschenbach (Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg)

Wenngleich das Nachdenken über die Produktion und Entfaltung von Erkenntnis, unabhängig davon, ob es sich um eine empirisch oder theoretisch legitimierte handelt, eine wichtige Funktion für die Entwicklung der Erwachsenenbildung als wissenschaftliche Disziplin inne hat, so liegt »noch keine umfassende erwachsenenpädagogische Wissenschaftsgeschichte« (Ciupke u. a. 2002, 25) vor. Die Autor_innen des ›Forschungsmemorandum zur historischen Erwachsenenbildungsforschung‹ machen dafür als einen gewichtigen Grund das »›junge( ) akademische( )‹ Alter( ) der Erwachsenenbildung« (ebd.) aus. Dieser Befund, der auf ein interessantes Forschungsdesiderat aufmerksam macht, scheint mir, bei allen auch in den letzten Jahren im engeren Sinn hierzu veröffentlichten Untersuchungen (z.B. S. Schmidt-Lauff, ›Geschichte der Sektion Erwachsenenbildung‹, 2014; H. Rosenberg, ›Erwachsenenbildung als Diskurs‹, 2016) weiterhin Geltung zu besitzen. Eine Auseinandersetzung mit der Genese der Erwachsenenbildung als Disziplin (z.B. M. Friedenthal-Haase, ›Akademisierung der Erwachsenenbildung‹, 1991; H. Tietgens, ›Erwachsenenbildung als Suchbewegung. Annäherungen an eine Wissenschaft von der Erwachsenenbildung‹, 1986; B. Wolterhoff, ›Systematische Erwachsenenpädagogik. Zur Konstruktivität einer pädagogischen Möglichkeitstheorie‹, 1986) und mit der Geschichte der Erwachsenenbildungsforschung (z.B. A. Born, ›Geschichte der Erwachsenenbildungsforschung‹, 1991), wozu die einzelnen Untersuchungen anregen, böten Anknüpfungspunkte für eine Aktualisierung.

Vor diesem Hintergrund befürworte ich, nicht nur im Nachgang der Jahrestagung der Sektion Erwachsenenbildung (DGfE), den Fokus auf die Auseinandersetzung mit ›erwachsenenpädagogischer Wissenschaftsgeschichte‹ zu legen und sich diesem markierten Forschungsdesiderat verstärkt zu widmen. M.E. bedürfen beispielsweise die epistemischen Aspekte der Genese und Entwicklung der Erwachsenenbildung als wissenschaftliche Disziplin im Zeitraum der sog. ›Realistischen Wende‹ (H. Roth) Aufmerksamkeit, weil sie gegenwärtige Fragen der Entwicklung der ›Erwachsenenbildungswissenschaft‹ mit erhellen könnten.

Im Horizont der Professionalisierung der Wissenschaftsgeschichte in den letzten Jahren – vorrangig in der naturwissenschaftlich orientierten Wissenschaftsgeschichte, aber nicht nur dort – ist mit der Entwicklung der ›Historischen Epistemologie‹ (z.B. H.-J. Rheinberger, L. Daston, P. Galison) (oder mit der ›epistemologischen Historie‹ G. Canguilhem) zudem ein Ansatz, der den Praxen der Erkenntnisproduktion ein Vorrang einräumt, elaboriert worden, der für die historische Erwachsenenbildungsforschung in einem weiteren und für eine ›erwachsenenpädagogische Wissenschaftsgeschichte‹ in einem engeren Sinne von Interesse sein könnte, um weitere Spuren des Entstehungszusammenhangs einer ›Disziplin im Werden‹ aufzuspüren und zur Diskussion stellen zu können. Eine Auseinandersetzung mit Prozessen der Erkenntnisproduktion im Zeitraum der ›Gründungskonstellation‹ der Erwachsenenbildung als wissenschaftliche Disziplin und deren Effekte, die bis in die Gegenwart (wohl auch Zukunft), hineinreichen als Untersuchungsfeld zu aktualisieren und zu vertiefen, erscheint mir daher eine ertragreiche Aufgabe, um disziplinäre Entwicklungen voranzutreiben. Um die vielfältigen Erkenntnisentwicklungsprozesse in ihrer Dynamik verstehen zu können, möchte ich gezielt Forschungsfragen diesbezüglich voranbringen.

Zurück

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert