Vergangene Zukünfte - Neue Vergangenheiten

Stimme zur historischen Erwachsenenbildungsforschung

Matthias Rohs (Technische Universität Kaiserslautern)

Die Aufforderung der Organisatoren, seine „Stimmen zur historischen Erwachsenenbildungsforschung“ zur Sektionstagung der Erwachsenenbildung in Halle/Saale abzugeben, hat mich nun doch bewogen meinem ersten Impuls auf eine Rückmeldung zur Sektionstagung – die ich dann aus Zeitgründen schon wieder ad acta gelegt hatte – zu folgen.

Zunächst einen herzlichen Dank an die Organisatoren, die eine wunderbare und reibungslose Veranstaltung organisiert haben und auf Nachfragen immer schnell und freundlich reagierten. Der Veranstaltungsort im Areal der Franckeschen Stiftungen, war ein wunderbarer und sehr interessanter Ort, so wie ich insgesamt sehr begeistert war, wie sich Halle/Saale in den letzten Jahren entwickelt hat. Auch das Thema, sich mit der Geschichte der Erwachsenenbildung zu beschäftigen, war gerade angesichts des „Zukunftsdogmas“ ein wohltuendes, reflektierendes Innehalten. Daher wäre mein erstes Anliegen der Wunsch, die Bedeutung der historischen Erwachsenenbildungsforschung weiter zu stärken und dieses Thema z.B. in den Curricula der Studiengänge der Erwachsenenbildung (stärker) zu verankern. Ich habe das jedenfalls für mich noch mal mitgenommen.

Damit zusammen hängt auch die Frage, welche „Geschichte der Erwachsenbildung“ wir thematisieren. Eine Deutsche, eine Europäische, oder sogar eine Internationale (z.B. mit Blick auf die Nordamerika), die auch immer wieder Impulse für die eigene Geschichte gegeben hat. Aber was ist eigentlich die „eigene“ Geschichte. Gerade in Deutschland stellt sich diese Frage. Welche Präsenz hat eigentlich die Geschichte der Erwachsenenbildung in der DDR? Ohne einen genauen Überblick über die Literaturlage zu haben, fallen mir doch nur wenige Auseinandersetzungen dazu ein (vgl. Siebert 1970; 2010, Dietrich 1991). Gibt es eigentlich Unterschiede dahingehend, wer (mit welcher Biographie) wo (alte/neue Bundesländer) für wen (in Ost-/Westdeutschland sozialisiert) Geschichte der Erwachsenenbildung thematisiert? Auf der einen Seite erleichtert und auf der anderen Seite sehr besorgt habe ich zur Kenntnis genommen, dass die Geschichte der Erwachsenenbildung in der DDR auch Thema auf der Sektionstagung war, jedoch dann immer mit dem Hinweis auf entsprechende Forschungsdefizite und fehlende Quellen. Gerade Letzteres beunruhigt mich schon, kann es doch allzu leicht dazu führen, dass Geschichte vergessen und nicht erforschbar ist. Mein zweites Anliegen wäre daher besonderes Augenmerk auf die Geschichte der Erwachsenenbildung in der DDR zu legen und vor allem Anstrengungen zur Erhebung von Daten zu unternehmen (z.B. von Zeitzeugen), dass hier nicht noch weiteres „Material“ verloren geht. Ich bin froh auf Hinweise zu aktuellen Forschungsprojekten und -publikationen zu diesem Thema und wäre auch selbst – trotz aller räumlicher Distanz – interessiert an Forschungsarbeiten mitzuwirken.

Der angesprochene Bedarf an Forschungsdaten zeigt sich auch in Bezug auf die Programmdaten, und damit wäre ich bei meinem zweiten Thema. Als ich zum ersten Mal auf das digitale VHS-Progammarchiv gestoßen bin, war ich sofort begeistert und habe gleich mit studentischen Mitarbeitenden ein kleines Forschungsprojekt aufgesetzt. Dabei haben wir natürlich auch die kleineren und größeren Mängel gesehen, die das Archiv noch hat. Dennoch stellt es eine wunderbare Möglichkeit dar, schnell und unkompliziert Zugang zu Programmdaten zu erhalten und (Programm)Forschung auch Studierenden leicht zugänglich zu machen. Ich wäre sehr froh, wenn dieses Projekt weiter fortgesetzt werden würde.

Damit wäre das Limit von einer Seite auch voll! Vielen Dank für die Aufforderung und die Möglichkeit, auf diese Weise das Thema noch mal aufzugreifen.

Literatur

Dietrich, R. (1991). Das System beruflicher Erwachsenenbildung in der ehemaligen DDR mit Ausblick auf künftige Strukturprobleme in den neuen Bundesländern. Mitteilungen aus der Arbeitsmarkt- und Berufsforschung, 24(2), 432-439.

Siebert, H. (1970). Erwachsenenbildung in der Erziehungsgesellschaft der DDR. Düsseldorf: Bertelsmann Universitätsverlag.

Siebert, H. (2010). Wissenschaftliche Weiterbildung in der DDR. Von der Gründung bis zur Wiedervereinigung. Hochschule und Weiterbildung(2), 26-29.

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2 thoughts on “Stimme zur historischen Erwachsenenbildungsforschung

  1. Liebe Kolleginnen und Kollegen, lieber Matthias,

    ich finde die Anmerkungen von Matthias Rohs sehr anregend, wichtig und teile davon vieles. Es wäre in der Tat sehr schön, wenn das digitale Programmarchiv am DIE aktualisiert fortgeführt würde.

    Zu der DDR gibt es in der EB-Forschung doch noch die einen oder anderen Publikationen (kein Anspruch auf Vollständigkeit) neben den zuvor schon von ihm genannten Sachen. Siehe Literatur am Ende des Kommentars hier. Gleichzeitig gibt es sicherlich auch noch viel zu forschen, wo Zeitzeugen neben Programmen wichtige Zugänge/Quellen darstellen könnten. Im Rahmen des VHS-Jubiläums sind u.a. an den VHS Görlitz und Magdeburg (Köster et al. 2019) auch interessante Schriften entstanden. Man könnte sich generell anschauen, wie die DDR-Zeit in diesen Festschriften behandelt wird. Gerade der sächsische VHS-Verband publiziert da so einiges in seiner Schriftenreihe.

    Bei der Tagung in Halle habe ich eher Beiräge vermisst, die sich mit der neuesten Zeitgeschichte in den Neuen Bundesländern nach 1990 befassten und den Übergang von DDR zum vereinten Deutschland in den Blick nehmen. Kontinuitäten wie Diskontinuitäten. Diese Zeit ist m.E. wirklich kaum aufgearbeitet, aber erklärt vielleicht einiges, was aktuell so passiert. Die damalige Weiterbildungsoffensive in den Neuen Bundesländern hätte einen kritischen wie differenzierten Blick verdient. Die Schrift von Artur Meier ist da eines der wenigen umfangreichen Werke. Momentan herrscht ja mal wieder auch eine Art Weiterbildungseuphorie rund um Digitalisierung und Disruptionen. Geschichte wiederholt sich nicht, aber die Rolle der Weiterbildung in den 90er Jahren könnte sowohl (nicht-intendierte) WIrkungen aufzeigen, aber auch offenlegen, wie Weiterbildung oft sozial- oder wirtschaftspolitisch funktionalisiert wird. Was war die Rolle und Bedeutung von QUEM/ABWF damals? Wenn die Zielsetzungen für WB sich nicht komplett realisieren, ist die „Weiterbildungsindustrie“ schuld, während die kritische Reflexion von Förderpolitik ausbleibt? Ich sehe einen großen Bedarf darin, dass man sich mit dieser neuesten Zeitgeschichte in den Neuen Bundesländern und der Rolle der EB/WB kritisch(er) und gleichzeitig differenziert fern von schnellen (Vor-)Urteilen auseinandersetzt. Die Aufarbeitung der Rolle der Treuhand nimmt Fahrt auf. In der Weiterbildung müsste man eigentlich Ähnliches für die 90er Jahre tun.
    Und natürlich wäre es zudem gut, wenn man nicht nur dir DDR untersucht, sondern auch vergleichende Studien zu anderen Transformationsländern wie Polen, Ungarn, Tschechien, etc. hätte.

    Mit besten Grüßen und Feiertagswünschen

    Bernd Käpplinger

    Literatur zur DDR (Auwahl)
    Behrens, Heidi/Ciupke, Paul/Reichling, Norbert (Hrsg.) (2009): Lernfeld DDR-Geschichte. Ein Handbuch für die politische Jugend- und Erwachsenenbildung. Schwalbach/Taunus.
    Gieseke, W. & Opelt, K. (2003). Erwachsenenbildung in politischen Umbrüchen. Das Programm der Volkshochschule Dresden 1945–1997. Opladen.
    Hering, Sabine und Lützenkirchen (1995): Anders werden. Die Anfänge der politischen Erwachsenenbildung in der DDR. Berlin.
    Friedenthal-Haase, M. (2007). Evangelische Akademien in der DDR. Quellen und Untersuchungen zu Bildungsstätten zwischen Widerstand und Anpassung. Leipzig.
    Humanistische Union (Hrsg.) (2012): Zeitzeugenarbeit zur DDR-Geschichte. Historische Entwicklungslinien – Konzepte – Bildungspraxis. Essen.
    Knoll, J. (Hrsg.) (2007). Gestalt und Ziel. Beiträge zur Geschichte der Erwachsenenbildung. Leipzig.
    Naumann, Werner (2015): Erwachsenenpädagogik in der Erziehungswissen-schaft im 20. Jahrhundert. Frankfurt/Main.
    Opelt, K. (2004). Volkshochschule in der SBZ/DDR. Historische Quellenanalyse. Opladen.
    Opelt, Karin (2005): DDR-Erwachsenenbildung. Münster
    Rothe, A. (2000). Evangelische Erwachsenenbildung in der DDR. Leipzig.
    Seifert, Marion (2019): Von Bürgern für Bürger – 100 Volkshochschule Görlitz. Chemnitz: Schriftenreihe des Sächsischen Volkshochschulverbandes.

  2. Sehr informativer Beitrag. Leider ist die Erwachsenenbildung gerade über die VHS ein wenig aus dem Blickfeld geraten, man hört sonst eher nur noch von Sprachkursen oder aber auch von beruflicher Weiterbildung in Form von firmeninternen Seminaren. Man muss sich da schon selber informieren. Eigentlich schade, das für so etwas wie Bildung keine adäquaten Marketingbudgets da zu sein scheinen

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